Archiv für den Tag: 20. November 2013

Durchhaltevermögen

Ein Kandidat im mentalen Schützengraben

Karl Kraus benutzte die Sprache als Mittel zur Erkenntnis, als „die Wünschelrute, die gedankliche Quellen findet.“

Versuchen wir, ihm darin zu folgen. Nehmen wir beispielsweise diesen Satz:

In diesen Zeiten gehört schon einiger Mut dazu, sich um ein Amt als Bürgermeister von Hilden zu bewerben.“

Das schreibt der bestens bekannte anonyme Hofpoet im allmählich verstummenden hildenNET. Er lässt die Leser im Unklaren darüber, um welche Zeiten es sich handelt und warum Mut dazu gehören soll, sich „als Bürgermeister“ um ein Amt zu bewerben, wenn man doch schon eines hat.

Der „derzeitige Amtsinhaber“, der sich einem Amtsinhaber offenbar unterscheidet, habe „die Messlatte doch recht hoch gelegt.“

Es geht also offenbar um einen sportlichen Wettbewerb. Nimmt man das Bild ernst, dann stellt man sich bei dieser körperlichen Herausforderung den von hildenNET bejubelten Ex-dUH-Fraktionschef vor.

Der Griff nach dem Chefsessel im Rathaus wird eingeleitet durch einen tiefen rhetorischen Bückling vor der plötzlich entdeckten „Professionalität“ und dem „Durchhaltevermögen“ des Amtsinhabers. Mit dieser Sekundärtugend, die der hildenNET-Autor offenbar positiv bewertet, sind unsere Väter und Großväter bis an die Wolga gekommen.

Geht es auch um politische Inhalte?

Es gab Zeiten, in denen heutige bzw. mehrfach gehäutete „Alliierte“ dem Bürgermeister  bzw. Amtsinhaber fachliche Fehler unterstellten: vom Winterdienst bis zur Auftragsvergabe an städtische Gesellschaften mit privater Beteiligung.

Doch wer lange gegen eine Wand angerannt ist ohne auf der anderen Seite anzukommen, der findet sich mit dem Beton ab, greift zur Farbe und sagt sich: „Ich male mir die Welt, widdewidde, wie sie mir gefällt.“

Wenn – wie suggeriert wird – „diejenigen, die sich an Wahlen beteiligen, diese Kriterien zur Grundlage machen“, dann sind politische Inhalte weniger wichtig als „Professionalität“ und „Durchhaltevermögen“. Dann geht es schlicht und einfach darum, ein Image aufzubauen, fernab von nachprüfbaren Aussagen und messbaren Zielen.

Folgt man dieser Logik, dann hat der nicht von allen Parteifreunden auf den Schild gehobenen Bürgermeisterkandidaten der dUH-Nachfolger erkennbare Defizite: Wer innerhalb von weniger als vier Jahren dreimal die Seiten gewechselt hat, ist ein hyperaktiver politischer „Zappel-Philipp“ ohne Durchhaltevermögen.

Und was die Professionalität angeht, so kann der staatlich voll alimentierte, unkündbare Beamte, der „Staatskunden“ ausgemacht haben will, die „von Hartz IV leben und denen städtisch subventionierte Komfortwohnungen lieber sind als ihr sind als ihr jetziger sozialer Brennpunkt“, auch nichts bieten.

Denn wer so spricht, der spaltet und der will das auch. Doch diese trübe Welle wird nicht stark genug sein, um einen von Staatsknete lebenden Beamten auf einen neuen Versorgungsposten zu hieven.

Wer zum Bürgermeister gewählt werden will, braucht die Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Hinter dieser Binsenweisheit verbirgt sich das Einfache, das schwer zu machen ist: Ein breites Bündnisses mit einer sehr heterogenen Wählerschaft. Wer sich selbst als „Lager“ definiert, grenzt andere aus.

In puncto „Professionalität“ stellt beispielsweise jede Schulsekretärin täglich mehr „Multi-Tasking“ unter Beweis als ein verbeamteter Richter.

Und wer, wie der Bürgermeisterkandidat der dUH-Nachfolger, in mimosenhafter Weise auf Konflikte reagiert und persönliche Eitelkeiten politisiert hat, der war und ist einfach unprofessionell.

„Insofern, Chapeau, Herr Prof. Bommermann“, wirft sich der anonyme Hofschreiber vor dem Kandidaten in den Staub.

Da kann man nur zustimmen, denn die Polarisierung, die Bürgermeisterkandidat und Mitläufer buchstäblich verkörpern, wird beiden – dem Kandidaten und der Ratsliste – entscheidende Stimmen kosten.

Trotzdem anzutreten – dazu gehört Mut.

Die „Wirtschaftsdelegation“

Eine Mitteilungsvorlage

Auf die Mitglieder des Wirtschafts- und Wohnungsbauförderungsausschusses, die am 27. November 2013 zu ihrer 16. Sitzung zusammenkommen werden, wartet eine Tagesordnung, die es in sich hat.

Sie müssen sich durch drei inhaltliche Punkte quälen, bevor sie wieder nach Hause gehen dürfen. Dazu gehört auch ein schriftlicher „Messebericht“ über die Immobilienmesse „EXPO REAL 2013“ in München.

hildenBLOG hat den ganze 262 Wörter umfassenden Bericht mit Interesse gelesen und fasst die Kernaussagen zusammen:

Auf der „wichtigste[n) internationale[n] Fachmesse für die Immobilienwirtschaft“ war Hilden durch eine „Wirtschaftsdelegation mit Horst Thiele, Norbert Danscheidt, Peter Heinze, Volker Hillebrand und Christian Schwenger“ glücklicherweise hochrangig vertreten.

Von dieser „Wirtschaftsdelegation“ wird berichtet, dass sie „verschiedene Zukunftsprojekte Hildens auf dem neuen Gemeinschaftsmessestand der kreisangehörigen Städte (erörterte)“, und zwar „mit Horst Thiele, Norbert Danscheidt, Peter Heinze, Volker Hillebrand und Christian Schwenger.“

Das müssen Selbstgespräche gewesen sein.

Wenn danach noch Zeit blieb, dann erklärten die Hildener „Investoren, institutionellen Anlegern wie Versicherungen und Fonds, Maklern, Entwicklern und den internationalen Betreibern bekannter Einzelhandelsmarken, die Möglichkeiten in Hilden zu investieren.“

Von 36.000 Teilnehmern interessierten sich 41 für Hilden: Innerhalb von vier Tagen wurden selbstverständlich „intensive Einzelgespräche“ geführt, ohne die heute nichts mehr geht: 4 Entwickler, 3 (institutionelle) Eigentümer, 11 kommunale Vertreter, 7 Dienstleister, 10 Architekten/Planer, und es gab 2 „Direktanfragen für Einzelhandel oder Gewerbe“.

Addiert man diese Zahlen und Angaben, kommt man auf 37 Gesprächskontakte und nicht auf 41! Aber es gab ja noch „mehrere politische Gespräche“ über die mit den elf kommunalen Vertretern geführten hinaus. Mit Letzteren sprach die „Wirtschaftsdelegation“ möglicherweise über Gebietsabtretungen oder über Verlagerung von Betrieben.

„Im Einzelnen ging es um neue Geschäfte für die Mittelstraße unter anderem in der ehemaligen Hertie-Immobilie, Ansiedlungsgesuche für die Flächen am Autobahnkreuz Hilden und an der Bahnhofsallee und den politischen Meinungsaustausch zwischen Land und Kommunen.“

Ja, der „politische Meinungsaustausch zwischen Land und Kommunen“… Diese Kommunikation kann nur in München stattfinden und bedarf einer vielköpfigen „Wirtschaftsdelegation“. Die Immobilie, in der einstmals „Hertie“ residierte, gehört zwar nicht der Stadt, aber man kann ja nett drüber plauschen.

Auch wer eine Dienstreise unternimmt, kann etwas lernen. Zum Beispiel, „dass sich die Metropolen immer mehr als große Regionen darstellen (…).“ Diese völlig neue Erkenntnis verdankt die Hildener „Wirtschaftsdelegation“ dem Blick auf „große Gemeinschaftsstände“, die Regionen „auf der Messe für die Selbstdarstellung nutzten.“

„Selbstdarstellung“? – Nein, wie schrecklich! So etwas lehnt Hilden ab.

Wie schön, wie individuell, wie kuschelig nahm sich dagegen der Gemeinschaftsstand aus, an dem die Stadt Hilden auch in diesem Jahr kompetent vertreten war, nämlich mit einer „Wirtschaftsdelegation“.

Man sollte es in München nicht unbedingt wörtlich nehmen.

Der Beschlussvorschlag des Bürgermeisters für die Ausschussmitglieder ist eindeutig und klar:

„Der Wirtschaftsförderungs- und Wohnungsbauförderungsausschuss nimmt die Ausführungen der Verwaltung zur Kenntnis.“

Setzen!

P.S.: Die Niederschrift über die Ausschuss-Sitzung am 20. Juni 2013, am 30. Januar 2013 und am 28. November 2012 (!) steht noch aus. Offenbar müssen erst noch die 41 Gespräche ausgewertet werden…