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Städtische Vergabepraxis  „live“

Im März 2013 hatte der Haupt- und Finanzausschuss einstimmig den Unterlagen zum Neubau von Musikräumen am städtischen Helmholtz-Gymnasium zugestimmt.

Für den Neubau der auf Basis einer Modulbauweise waren 596.000 EUR (brutto) kalkuliert. Diese Summe setzte sich zusammen aus den reinen Baukosten (520.000 EUR) und aus Kosten für den Abbruch des vorhandenen Pavillons, für die Außenanlage und für Honorare (insgesamt 76.000 EUR).

Wie war die Stadtverwaltung zu diesen Zahlen gekommen?

Die Kostenberechnung, die im Frühjahr 2013 Grundlage der Zustimmung des Haupt- und Finanzausschusses war, trägt die Unterschrift des Architekten des Planungsentwurfs.

Dieser – und nicht der Bauherr „Amt für Gebäudewirtschaft“ der Stadtverwaltung – hatte die Kostenkalkulation erstellt und dabei „bei einem Hersteller dieser Bauart die grundlegen Kosten/Positionen zur Errichtung eines solchen Gebäudes abgefragt, wobei den Anbietern eine Grundriss-Skizze und das Raumprogramm überlassen wurden.“

Der Bauherr – unsere Stadt – hat demnach den Zahlen des von ihr beauftragten Architekten blind vertraut, die dieser auf sehr „individuelle“ Weise ermittelt hatte und sah offenbar keine Notwendigkeit, die Belastbarkeit dieses Zahlenmaterials zu prüfen.

Das Rechnungsprüfungsamt (RPA) hatte in einer Stellungnahme vom 14. Februar 2013 unter anderem ausgeführt:

„Inwieweit detaillierte Planungen/Berechnungen zu wesentlichen Gewerken, auch der technischen Gebäudeausrüstung, bereits vorliegen, geht aus den Unterlagen nicht hervor.“

Das RPA hatte auf der Grundlage einer bloßen Vermutung geurteilt. Und kein Rats- oder Ausschussmitglied hatte hier für Klarheit sorgen wollen.

Warum wurde nur ein Hersteller befragt? Und ohne hier eine Kungelei zwischen dem mit der Kostenermittlung befassten Architekten und einem Hersteller von Räumen in Modulbauweise zu unterstellen, wird man sich über diese einseitige Recherche doch wundern dürfen.

Laut Aussage des Amtsleiters, den die „RP“ zitiert, hätte „die Verwaltung alles richtig gemacht.“ Angeblich, so stellt es die „RP“ dar, „hatte die Verwaltung nach Recherchen bei einem Hersteller kalkuliert.“ Dass die Verwaltung sich diese Arbeit in Wahrheit nicht gemacht, sondern dem Architekten überlassen hatte, geht daraus nicht hervor.

Das erschließt sich durch einen Blick in die Kostenberechnung vom 5. Februar 2013. Sich nicht um Vergleichsangebote bemüht zu haben, widersprach den elementarsten Vergabegrundsätzen!

Auf der Grundlage der so von einem Dritten erstellten und von der Stadt offensichtlich ungeprüft, zumindest aber 1:1, übernommenen Kostenberechnung war der Neubau der Musikräume im Mai 2013 öffentlich ausgeschrieben worden.

Schließlich waren fünf Angebote eingegangen: mit Preisen zwischen rd. 774.500 und rd. 925.000 EUR brutto. Da für Errichtung des Gebäudes nur Haushaltsmittel im Höhe von 520.000 € zur Verfügung standen, wurde die Ausschreibung am Mitte 2013 aufgehoben.

Danach wurde „nachverhandelt und nach evtl. Einsparpotentialen gesucht.“ Wer da nach mit wem nachverhandelt hatte – ob es der Architekt oder das urplötzlich wieder mit Fachkompetenz ausgestattete „Amt für Gebäudewirtschaft“ gewesen war, wird nicht mitgeteilt.

Nachdem „die Nachverhandlungen mit den Modulbauherstellern fruchtlos verlaufen waren, wurde im Bereich der Massivbauweise nach einem möglichen Anbieter gesucht.“

Dass damit vom Beschluss der politischen Gremien abgewichen wurde, erfuhren die Ratsmitglieder bzw. die Ratsfraktionen nicht. Jedenfalls nicht offiziell. Und schon gar nicht alle sechs.

Durch frühzeitige Information der Beschlussgremien hätte man das Entscheidungsverfahren gewiss beschleunigen, eine Aufstockung der bewilligten Finanzmittel vorbereiten, aber auf jeden Fall den Vorgang transparenter gestalten können.

Doch nicht einmal während der Haushaltsplanberatungen im Februar 2014 hatte die Stadtverwaltung die Ratsfraktionen auf die bereits damals absehbaren Mehrkosten aufmerksam gemacht oder wenigstens darauf vorbereitet.-

Denn – wen wundert es? – selbst wenn die Stadtverwaltung das günstigste. „nachverhandelte“ Angebot für einen Pavillon in Massivbauweise favorisiert hätte, dann hätten die ihr dafür im März 2013 bewilligten reinen Baukosten von 520.000 EUR sowieso nicht ausgereicht!

Doch erst vier Monate nach der aufgehobenen Ausschreibung hatte man im Rathaus im Dezember 2013 erkannt, dass es sich um eine „grundlegende Änderung der Konstruktion und damit der Ausschreibungsgrundlagen handelte (…).“

Und man hatte nach viermonatigem Nachverhandeln endlich eine erneute öffentliche Ausschreibung ins Auge gefasst. Diese Einsicht hatte sich gegen die Narrenmeinung durchgesetzt, man könnte hier eine „freihändige Vergabe“ vornehmen, also bei ausgesuchten Anbietern anklopfen, ohne Ausschreibung.

Man sieht: Im Rathaus wird hochprofessionell gearbeitet!

Sechs Monate nach Aufhebung der ersten Ausschreibung wurde am 26. Februar 2014 erneut ausgeschrieben. (Dieses Mal die „Errichtung eines eingeschossigen, nicht unterkellerten Gebäudes zur Nutzung als ‚Musikpavillon‘ am Helmholtz-Gymnasium.“)

Am 25. März 2014 lagen die Angebote vor: zwischen rd. 639.000 und rd. 857.000 EUR – bei bewilligten Gesamtkosten von 596.000 EUR. Aber noch immer erfuhren die sechs Ratsfraktionen nichts von dieser Kostenexplosion.

Das vom „Amt für Gebäudewirtschaft“ schließlich präferierte Angebot über rd. 709.000 EUR „erfüllt alle technischen und formalen Vorgaben. Die Verwaltung würde daher auf dieses Angebot den Zuschlag erteilen, jedoch reichen die bislang im Haushalt veranschlagten Mittel dafür nicht aus.“

Eine Erkenntnis, die das Fachamt zwar schon im Sommer 2013 gewonnen hatte, die aber monatelang verschwiegen wurde.

Zur Begründung für die Kostensteigerung (mit Ansage) wird summarisch auf „die Aufhebung der Ausschreibung“ auf die „Suche nach einer wirtschaftlichen Vorgehensweise“ sowie auf das zweite Ausschreibungsverfahren verwiesen.

Kein Wort wird darüber verloren, warum das „Amt für Gebäudewirtschaft“ zwei Monate gebraucht hat, um den Beschluss des Ausschusses umzusetzen. Kein Wort wird darüber verloren, warum man nach der aufgehobenen Ausschreibung sechs Monate brauchte, um erneut auszuschreiben.

Zu den Mehrkosten von rd. 189.000 EUR für die Errichtung eines Pavillons in Massivbauweise kommen jetzt auch noch Mietkosten für eine Übergangslösung für ein halbes Jahr in Höhe von rd. 23.000 EUR, also Mehrkosten in Höhe von insgesamt rd. 212.000 EUR.

Denn – so die Stadtverwaltung in einer Vorlage für die Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am 30. April 2013 – „damit entgegen der ursprünglichen Planung in 2 Bereichen gleichzeitig gearbeitet werden kann“, sollen die Musikräume für sechs Monate in einen Klassencontainer ausgelagert werden.

Dass alles geschehe, um „seinerzeit festgelegten Terminplan (Fertigstellung aller Maßnahmen zur Erweiterung der Mensa im Jahr 2014) nicht weiter zu verändern und den Schulbetrieb nicht zu behindern, (…).“

Dabei hatte dieser enge Terminplan das „Amt für Gebäudewirtschaft“ nicht davon abgehalten, dort monatelang vor sich hinzuwurschteln, hier „nachzuverhandeln“ und anschließend über eine „freihändige Vergabe“ zu fantasieren, um dann doch erneut, aber spät, auszuschreiben.

Jetzt soll, jetzt muss es plötzlich ganz schnell gehen: Da hilft nur noch eine Dringlichkeitsentscheidung wegen der „Notwendigkeit der kurzfristigen Auftragserteilung“.

Die Kosten für den Neubau von Musikräumen für das Helmholtz-Gymnasium sind innerhalb eines Jahres um mehr als 33 % gestiegen. Das „Amt für Gebäudemanagement“ hat damit nichts zu tun.

Denn  hier waren und sind echte Profis am Werk. Alles bleibt gut!