Die Märchenstunde der SPD-Fraktion

Ein Faktencheck

Die längste Rede aller Fraktionsvorsitzenden zum Haushalt 2015 war der SPD-Fraktionsvorsitzenden Anabela Barata aufgeschrieben worden.

Sie schien unter einem akuten Rededurchfall zu leiden, wie ihn Menschen, die ihr eigenes Nichtstun – seien sie nun zur Untätigkeit gezwungen oder einfach nur faul – durch rhetorischen Effekt zu bemänteln versuchen.

Auf der einen Seite gibt es rhetorische Bekenntnisse zum Ernst der Lage, zur „kritischen Finanzplanung“, zum Versprechen, dass „jede Ausgabe und jede Maßnahme genau auf ihre Notwendigkeit und Nachhaltigkeit geprüft“ werde; auf der anderen Seite gibt es das Bekenntnis zum „Hildener Standard“, „den wir auch nach außen mit Stolz vertreten können.“

Diese Erfolge würden jedoch von der „heutigen Haushaltsrealität getrübt.“

Die SPD scheint von dieser mindestens ebenso überrascht worden zu sein wie Hildens SPD-geführte Stadtverwaltung im Dezember 2010 vom plötzlichen Wintereinbruch.

In der Ratssitzung am 17. Dezember des vergangenen Jahres habe der Kämmerer „eindeutig aufgezeigt, dass der städtische Haushalt und wir alle als politische Entscheidungsträger vor großen Herausforderungen stehen.“

Für den Haushalt mag das vielleicht gelten, aber vor welchen großen Herausforderungen steht denn ein SPD-Ratsmitglied, solange es brav so abstimmt wie es die grauen Eminenzen der SPD und die von diesen angeleitete Bürgermeisterdarstellerin Birgit Alkenings wollen?

Hat die SPD diese Herausforderungen überhaupt erkannt? Hat sie diese angenommen? Wie will sie diesen begegnen?

Frau Barata zeigt mit dem Finger lieber auf andere:

„Maßgeblich für diese Entwicklung sind vor allem Entscheidungen, die wir als Kommunalpolitiker/innen wenig oder gar nicht beeinflussen können.“

Diesem rhetorischen Ausfallschritt folgt die sich selbst exkulpierende Schuldzuweisung, die – welch‘ ein Zufall! – die CDU-Fraktionsvorsitzende Marion Buschmann, wie verabredet, fast wortwörtlich wiederholt hatte:

Schuld am Defizit von derzeit 8,4 Mio. EUR haben das Land, der Kreis und die allgemeine Weltlage. Ein Faktencheck kann da nicht schaden:

Durch eine „Änderung der Schlüsselzahlen bei der Berechnung des Gemeindeanteils an der Einkommenssteuer“ entgingen der Stadt rd. 1,8 Mio. EUR. – Tatsächlich kann die Stadt für dieses Jahr mit 29,4 Mio. EUR rechnen; verglichen mit dem Haushaltsansatz in 2014 inHöhe von 29,1 Mio. EUR wäre das sogar eine Verbesserung.

„Die Kreisumlage steigt um mehr als eine halbe Millionen Euro.“ – Die Stadt zahlt 2015 rd. 29,5 Mio. EUR als Umlage an den Kreis und damit weniger als dafür im Haushalt 2014 veranschlagt worden waren (rd. 29,9 Mio. EUR). 2013 musste die Stadt sogar fast 36 Mio. EUR als Umlage an den Kreis zahlen. Unterm Strich wird Hilden also entlastet.

„Durch die zahlreichen Krisen und Kriege in der Welt kommen immer mehr Flüchtlinge und Asylsuchende auch nach Hilden.“

Nachdem weder Einkommensteuer noch Kreisumlage zum Haushaltsdefizit beigetragen haben, bleiben der SPD-Fraktionsvorsitzenden nur noch die Flüchtlingszahlen als Alibi, um vom eigenen Versagen bei der Haushaltskonsolidierung abzulenken:

Die Zahl der zu betreuenden Personen sei „auf ungefähr 300 angestiegen.“ Dadurch werde ein „erheblicher Mehraufwand“ für den städtischen Haushalt verursacht. Die zusätzliche Landesförderung fange „bedauerlicher Weise“ nur einen Teil der Kosten auf.

Über den Anteil der Kostenerstattung aus Landes- und Bundesmitteln schweigt Frau Barata sich aus.

Bei einem geschätzten Aufwand von 2,08 Mio. EUR erhöhen die Zuschüsse an die Stadt sich auf insgesamt 780.000 EUR. Hilden müsste rd. 1,3 Mio. EUR aus eigenen Mittel finanzieren – dieser Betrag läge aber noch weit diesseits des Defizits von 8,4 Mio. EUR.

Dass Hilden im Jahre 2000 sogar mehr als 300 Flüchtlinge zu betreuen und zu versorgen hatte, ohne dass diese Zahl von einer Ratsfraktion instrumentalisiert worden wäre, sollte nicht unerwähnt bleiben.

Die Märchenstunde der SPD-Fraktion geht aber noch weiter:

Das böse Land ist offenbar an allem schuld – nicht nur am schlechten Listenplatz von Birgit Alkenings bei der Landtagswahl 2010 und an geplatzten Karriereträumen.

Die Heranziehung der Stadt am so genannten „Stärkungspakt“, mit dem das Land finanzstarke Städte zur Unterstützung finanzschwacher Kommunen heranzieht, scheint die Quelle großen Übels zu sein.

Die Industrie- und Handelskammer habe errechnet, „ dass die Solidaritätsumlage in Hilden rechnerisch für 28 Prozent des Defizits der Jahre 2015 bis 2018 verantwortlich ist.“

Das addierte Defizit in der Finanzplanung ihrer Bürgermeister-Parteifreundin, die Frau Barata widerspruchslos zur Kenntnis genommen hat, verschweigt sie: 21,1 Mio. EUR.

Erstens wird dieses Gesamtdefizit nicht nur von der SPD-Fraktionsvorsitzenden als schicksalsgegeben akzeptiert. Zweitens wird davon abgelenkt, dass 72 % bzw. rd. 15,2 Mio. EUR dieses Defizits hausgemacht wären, und zwar unter aktiver Beteiligung von Anabela Barata.

Hat sie hierzu etwas Selbstkritisches gesagt? Hat sie eine Kursänderung vorgeschlagen, angekündigt?

Nein, warum denn auch?!

Stattdessen werden „die gesunkenen Gewerbesteuererträge“ für die missliche Lage verantwortlich gemacht. Wie passt das zu ihrer Behauptung, Hilden sei „ohne Zweifel eine Stadt mit hoher Lebensqualität für Menschen aller Generationen und damit auch ein äußerst attraktiver Standort für Gewerbetreibende“?

Gewerbetreibende verlassen Hilden oder kommen überhaupt nicht in diese Stadt, weil sie gleich nach Monheim gehen. Daran werden auch noch so viele Funktionsgebäude und Kunstrasenplätze nichts ändern.

Das Gewerbesteueraufkommen sei „kontinuierlich seit 2012 eingebrochen.“  – Der Einnahme-Rückgang ist also nicht überraschend gekommen, sondern gewissermaßen „mit Ansage“. Hat die SPD darauf ebenso kontinuierlich reagiert? – Ja, durch kontinuierliche Ausgabensteigerung!

„Geld, das auf der Ertragsseite fehlt“, beklagt Anabela Barata und setzt sich nonchalant über die IHK Düsseldorf hinweg, die ausdrücklich erklärt hat, Hilden habe „kein Einnahmeproblem“, im Gegenteil die Stadt werde „ihr Haushaltsproblem nachhaltig nur durch entsprechende Disziplin auf der Aufwandsseite lösen können.“

Die SPD-Fraktion ist dazu nicht in der Lage und auch nicht willens, wie Frau Barata erkennen ließ: „Der Stellenplan steigt um 13,4 Stellen an, was (…) auf politische Entscheidungen zurückzuführen ist und von der SPD-Fraktion mitgetragen wird.“ (Das Land und die Flüchtlinge sind unschuldig.)

Weil die SPD nicht sparen will, sieht „dieser Haushalt einige moderate Gebührenanpassungen vor“, mit denen ausgerechnet die SPD am liebsten bei Geringverdienern begonnen hätte.

Auch höhere Gewerbe- und Grundsteuern sind keineswegs vom Tisch, denn „eine Erhöhung der Steuerhebesätze hat die SPD-Fraktion für 2015 abgelehnt.“ 2016 werden die Karten neu gemischt.

Die SPD ohne Sparvorschläge hält es für „für unabdingbar, in Hildens Infrastruktur zu investieren. Sinnvolle Projekte in einem gewissen Maß voranzutreiben, ist dabei nicht unverantwortliche Verschwendung von städtischem Vermögen. Im Gegenteil dient es dazu, das Vermögen zu sichern.“

Schön gesagt, aber der Sanierungsstau bei kommunalen Straßen und im Abwassernetz wird nicht beseitigt, solange das nicht vorhandene Geld in neue Funktionsgebäude für Sportvereine gesteckt wird.

Der von der SPD eingeräumte „Mangel an bezahlbaren Wohnraum, insbesondere für junge Familien“ wäre deutlich kleiner, wenn die seit fast 21 Jahren in Hilden tonangebende SPD den Ausverkauf städtischer Grundstücke beendet und der städtischen Wohnungsbaugesellschaft kommunalen Grund und Boden überlassen hätte.

Die SPD kündigt an, trotz einer „kritischen Haushaltslage“ wolle sie „im Bereich der Ü3-Betreuung weitere Plätze zu schaffen.“ – So wird das Haushaltsloch jedenfalls nicht kleiner, sondern noch größer.

Für alle gibt es tröstende Worte: So habe das Jugendparlament „konkrete Maßnahmen zur Umgestaltung des Holterhöfchen erarbeitet, die die SPD-Fraktion bei den weiteren Beratungen selbstverständlich berücksichtigen wird.“ – Die Umsetzung dieser Maßnahmen wird jedoch nicht zugesagt.

Was verspricht die SPD?

„Ja, die Einnahmen der Stadt müssen verbessert und die Ausgaben genauestens überprüft werden.“

Das bedeutet Steuerhöhungen, höhere Gebühren und Beiträge sowie weiterhin wachsende Ausgaben.