Gesucht und gefunden

Facebook kann manchmal gnadenlos grausam sein

Nur wenig ist peinlicher als eine alte Tante, die sich auf jugendlich schminkt. Die Uhr kann man ja nicht zurückdrehen. Und die, mit denen man mithalten möchte, indem man sich ihnen in Gebärde und Aussehen anpasst, lachen darüber. Bestenfalls haben sie Mitleid.

Und Mitleid ist tödlich.

Man kann sich aber nicht nur im Auftreten an eine Zielgruppe anbiedern, sondern auch, indem man sich in Facebook tummelt, sich dort entblättert, präsentiert und dabei Gefahr läuft, sein ungelebtes Leben, sein Dasein zwischen Bügelfalte, Maschendrahtzaun und Lodenmantel zu enthüllen. Unfreiwillig.

Unfreiwillig? Nein, denn sie wollen es ja, dass ihre Fotos auf einer Facebook-Seite veröffentlicht werden. Sie wollen ja gesehen, ge“liked“ werden (um sich durch möglichst viele Klicks das wärmende Gefühl zu verschaffen, beliebt zu sein.) Sie glauben, dass die Nutzung dieses Mediums ihnen gewissermaßen ein zweites Leben, eine zweite Jugend verschafft.

Und dann veröffentlichen sie Bilder miserabler Qualität, bei denen dem Betrachter die Fremdscham, ja ein Grausen befällt. Man kann sich gar nicht satt sehen an diesen Dokumenten der Banalität und des schon tausendfach Gesehenen: Urlaubende vor griechischen Ruinen, ein beleibter Mann an der Wahlurne, Händeschütteln beim Überreichen einer Urkunde.

Man fragt sich: Gibt es eine Grenze des schlechten Geschmacks, vor der diese Facebook-Seite haltmachen wird? Oder sinken die noch tiefer? Mann mit Kindern? Oder Lodenmantel mit Schäferhund? Oder – ganz authentisch und originell – die Hildener Heide im Herbstnebel? (Garniert mit dem Satz: „Dort sucht Prof. Dr. Bommermann Inspiration und Entspannung.“)

Es ist zu befürchten, dass wir noch längst nicht den Abgrund an Peinlichkeit erreicht haben, an den die „Allianz für Hilden“ die Besucher ihrer Facebook-Seite führen will. Doch was wir heute schon sehen können, lässt Schlimmeres befürchten:

„Marlene Kochmann erhielt einen Blumenstrauß für 13 Jahre politisches Engagement“ klärt man dort den Betrachter auf, der sich fragt, warum eine solche Ehrung nach 13 Jahren vorgenommen wird. Und man wundert sich, wie schnell bei der eben erst gegründeten „Allianz“ 13 Jahre vergehen können.

Dann wandert der irritierte Blick des Betrachters auf das nächste Bild: wieder eine Ehrung. Wieder ein Foto mit strohigem Begleittext: Jemand bekam „die Urkunde der ALLIANZ Hilden als Ehrenmitglied.“ Noch nicht einmal einen Monat auf dem Markt und schon wird ein Ehrenmitglied auserkoren!

Dass es sich mitnichten um einen politischen Neuanfang handelt, sondern um Recycling, wird klar, wenn man liest, damit werde das „Jahrzehnte lange politische Engagement (geehrt)“. Dass die Laudatorin dem Polit-Chamäleon dann auch noch „Standhaftigkeit“ bescheinigt, lässt immerhin auf Humor schließen.

„Anerkennen möchten wir den Mut, vor vielen Jahren eine Wählergemeinschaft zu gründen“, lässt die professorale Festrednerin, die eben erst mutlos und dialogunfähig eine Wählergemeinschaft unter Mitnahme ihres Ratsmandats verlassen hat, sich von ihren Emotionen mitreißen.

Und man sieht es ihr auf den in Facebook veröffentlichten Fotos förmlich an, wie sie gerade dabei ist, sich neu zu erfinden. Lang war der Weg. Sie ist endlich angekommen. Danach hat sie sich doch insgeheim gesehnt: ein neues politisches Leben zwischen Blumenstrauß und Ehrenurkunde.

Und tschüss!

Man gönnt es ihr von Herzen, dass sie jetzt diese neue Heimat gefunden hat. Man wird dort noch viel Freude aneinander haben.

Und wir dürfen uns auf tolle Fotos freuen, die via Facebook mit der Weltöffentlichkeit geteilt werden. Dem Peter und der Uta-Lucia gefällt das.