Koofmichels „Kulturstadt Hilden“

Kulturamt: „Vordenker, Impulsgeber, Berater und Moderator“

In seinem Radiovortrag „Kultur und Verwaltung“ aus dem Jahre 1959 hat Theodor W. Adorno, nach dem in Hilden nicht einmal eine Sackgasse benannt werden würde, unter anderem behauptet:

„Der für die Verwaltung typische Jargon ist nicht die Verwaltungssprache des alten Stils, in der noch eine relative Trennung zwischen Verwaltung und Kultur vorlag. Die Verwaltung plustert sich mit Sprachbestandteilen aller gesellschaftlichen Bereiche auf, als wäre jeder Beamte sein eigener Radiosprecher.“

Ein günstiger Wind hat hildenBLOG das „Strategiepapier Kultur. Fortschreibung 2013“ des Rathauses auf den Tisch geweht, mit dem sich der Kulturausschuss in seiner Sitzung am 29. November 2013 befasst hat.

Darin bezeichnet die Stadtverwaltung die „anerkannten Kultur pflegenden Vereine und Organisationen Hildens“ als „tragende Säule der Breitenkulturarbeit“. Und behauptet: Hilden sei „Kulturstadt“.

Auch zum Thema „Schule und Kultur“ verweist das Kulturamt auf „imageunterstützende Maßnahmen“, die „in das Marketing der Schulen aufgenommen werden (sollen)“.

Das Kulturamt möchte Kultur noch stärker als bisher in der „Kooperationsform der PPP (Public-Private-Partnership)“ an Unternehmen, Stadtmarketing oder Geldinstitute verkaufen, zur „Erschließung komplementärer finanzieller Ressourcen“.

Das diese Geldgeber keinen Einfluss auf das Kulturprogramm nehmen, sondern sich als selbstlöse Mäzene verstehen, darf getrost vorausgesetzt werden. Nur Polemiker unterstellen dem Kulturamt bei der Planung des Kulturprogramms vorauseilenden Gehorsam.

Selbstverständlich darf auch in diesem Kontext die „Bildung wertvoller Netzwerkstrukturen“ nicht fehlen.

Beispiele für „erfolgreiche Hildener PPPs“ sind die „Hildener Jazztage“, die zwar ohne Unterstützung durch Stadt oder Stadtmarketing ins Leben gerufen worden sind, aber als „hochkarätiges, mehrtägiges Event“ vom Kulturamt dem eigenen Erfolgskonto gutgeschrieben werden:

„Hilden und ‚Jazz‘“ seien „ein bedeutender Werbeträger für“ – erraten Sie es? – „Hilden“. Und was bleibt von der „Sommerakademie“? „Der (…) entstandene Imagegewinn für die Stadt Hilden.“ Und nicht fehlen darf auch bei diesem Thema die „vernetzte Kooperation“.

Bei all den „genannten Kooperationen“ handelt es sich um „Kompetenzteams“, die zusammenarbeiten, und zwar: „projektbezogen“! Es leuchtet ein, dass das Fazit nur lauten kann: „Diese etablierte Arbeitsform soll weiterentwickelt werden.“

„Das Hildener Kulturangebot weist ein hohes qualitatives Niveau auf. Dies wurde durch eine wissenschaftliche Untersuchung der Bergischen Universität Wuppertal belegt“, jubelt der Kulturdezernent und verweist auf eine Studie aus 2010, in deren Mittelpunkt ein Marketing-Konzept für die „kulturbegeisterte Familienstadt“ stand.

Schon damals war Kultur als „Standortfaktor“ auf dem Niveau eines Autobahn-Anschlusses oder eines Gewerbesteuer-Satzes untersucht und propagiert worden, gewissermaßen als Schaufensterdekoration mit „Leuchtturmfunktion“.

Und durch den „Aufbau von unterschiedlichen Kooperationen“, ohne die in Hilden das Kulturamt offenbar nichts auf die Beine bekommt, „positioniert sich Hilden als Kulturstadt.“ Ja, es gelte, „den Ruf Hildens als Kulturstadt zu festigen.“ – Was ist dagegen die „Lutherstadt Wittenberg“?

Kulturamt und Kulturdezernent werfen nicht nur einen Blick zurück, sondern lassen die Mitglieder des Kulturausschusses teilhaben an der „ganzheitlichen Darstellung des Bereiches ‚Kultur‘, die von den Kulturbürokraten im Rathaus als „Konzern Kultur“ mit buchhalterischem Blick fürs (Aus-)Verkaufen propagiert wird.

Sie drohen unmissverständlich: „Dieser Weg muss fortgesetzt werden.“

Und dann legen sie los: Die Menschen in Hilden werden zu „Kunden“, denen Kultur verkauft werden soll, wobei ein „gelungenes Marketing“ ebenso hilfreich sein kann wie das neue, talent- und inspirationsfreie Logo der Stadt. Vorgesehen ist, „über facebook zu kommunizieren.“ (Dafür hat man im Kulturamt Personal und Zeit.)

Das liegt möglicherweise daran, dass man im Kulturbereich den Stein der Weisen gefunden hat: „Professionelle Managementinstrumente. Zu modernen Managementinstrumenten zählt das Führen mit Zielvereinbarungen.“ Nur dumm, dass eine professionelle Untersuchung ausgerechnet auch im Geschäftsbereich des Kulturdezernenten Handlungsbedarfe offengelegt hatte.

Zur professionellen Führung zählt das Kulturamt die unvermeidliche „Bildung von Netzwerken“, verweist auf „ausgeprägte, projektbezogene Vernetzungen“, und ergänzt diese um „inhaltliche Partnerschaften“, die – na? – „projektbezogen zusammenarbeiteten.“

Völlig unbescheiden, aber konsequent angesichts der kulturpolitischen Abstinenz der meisten Ratsfraktionen, kann die Stadtverwaltung sich diesen rhetorischen Heiligenschein verpassen, ohne dass jemand laut lacht:

„Das Kulturamt ist hier als Vordenker, Impulsgeber, Berater und Moderator tätig.“

Und es folgen die „Vernetzungen mit den Bereichen Stadtplanung, Stadtentwicklung und Wirtschaftsförderung“, geht dann über in die „Planung der spielplanergänzenden Eventreisen“ und landet schließlich beim „Hildener Kulturfrühstück“.

Soweit zu „einrichtungsübergreifenden Strategie, die in den zurückliegenden Jahren wesentlich verbessert werden konnte“ und die in die „verstärkte ganzheitliche Entwicklung des Bereichs Kultur“ mündete:

„Durch mehrere Großprojekte konnte sich Hilden als Kulturstadt einen guten Namen erwerben.“

Hilden auf Weltniveau, eine Stadt, der die Uni Wuppertal in ihrer Marketing-Studie eine „breite und qualifizierte Kulturkompetenz bestätigt“ hat.

Und am Ende dieses kometenhaften Aufstiegs am Weltkultur-Himmel steht das erneute flammende Bekenntnis zu einem mehrfach gebrochenen Versprechen:

„‚Kultur für Alle‘ wird auch in Zukunft die zentrale Aufgabe des Kulturangebotes der Stadt Hilden sein.

In einer Stadt, in der Kultur „gepflegt“ wird, als sei sie etwas, das beschnitten oder gar gebändigt werden müsse, gibt es keine Kultur, sondern nur Kunsthandwerk.

Ganz besonders unerträglich ist es, wenn Kultur als Schmiermittel für das Geschäftsleben verstanden und missbraucht wird. Sie wird zum Nichtigen oder zum schlechten Nützlichen, nämlich zu den Produkten der Kulturindustrie.

Jede Indienstnahme der Kultur für das nackte, bare Interesse an der Zahlung raubt ihr buchstäblich den Geist.