Verbindlichkeiten der Stadt: 110 statt 23 Mio. EUR

Lokalpresse feiert dennoch „solide Bilanz“

Nur fast vier Jahre hat Hildens Stadtverwaltung benötigt, um eine Gesamtbilanz für den so genannten „Konzern Stadt“ zu erstellen, deren Datenmaterial völlig überholt ist.

Denn diese Gesamtbilanz erfasst zwar – grob umrissen – Vermögen und Schulden der der Stadt und ihrer sechzehn GmbHs (mit Aufsichtsräten und 16 Vorsitzenden), aber nur zum Stichtag 31. Dezember 2010.

Und während Hildens Kämmerer Klausgrete das vermeintlich aktuelle Zahlenwerk, das er der Lokalpresse freundlicherweise vorab zur Verfügung gestellt hat, zum Anlass nimmt zu behaupten, Hilden „steht insgesamt immer noch gut da“, macht die „Rheinische Prawda“ daraus die dicke, fette Überschrift: „Konzern Stadt legt solide Bilanz vor“.

Dass eine Stadt als „Konzern“ bezeichnet wird, offenbart nicht nur einen Mentalitätswandel im Bewusstsein der Rathaus-Spitze und der überwältigenden Mehrheit der Ratsmitglieder; es deutet auch an, dass die kommunale Daseinsvorsorge immer stärker engen Profitinteressen unterworfen sein wird.

Zugleich wird kommunales Vermögen privatisiert, also der Verwendung im öffentlichen Interesse, zugunsten des Allgemeinwohls, entzogen, und zwar dauerhaft. Zu nennen sind hier die zahlreichen Grundstücksverkäufe, nicht nur im Innenstadtbereich. Nicht vergessen werden darf dabei auch die Filetierung der Stadtwerke (Hilden blieb zu 100% auf den „Verlustbetrieben“ sitzen.)

Die Solidität, die die „RP“ der Gesamtbilanz der Stadt unterstellt, schlägt sich unter anderem in Verbindlichkeiten in Höhe von 110 Mio. EUR nieder. Dieser Betrag ist Lichtjahre von der Summe entfernt, die beispielsweise Horst Thiele nicht nur im Kommunalwahlkampf 2009 als SPD-Bürgermeisterkandidat gebetsmühlenartig wiederholt hatte: Die Stadt habe lediglich 23 Millionen Euro Schulden.

Und die Behauptungen der damaligen SPD-Fraktionschefin und amtierenden Bürgermeisterin, Hildens Schulden würdenweiter sinken“ und „formal sind wir schuldenfrei. (RP, 25. Februar 2013), werden durch nunmehr testierte städtische Verbindlichkeiten in Höhe von 110 Mio. EUR als Unwahrheiten entlarvt.

Klar, diesen Zahlungsverpflichtungen der Stadt steht auf dem Papier ein kommunales Vermögen von 551 Mio. EUR gegenüber. Es gibt also keinen Grund zur Kritik, gar zu Beunruhigung?

Wenn man bereit ist, kommunales Vermögen – beispielsweise Straßen, Schulen, Seniorenbegegnungsstätten, eine Dreifach-Sporthalle, ein Feuerwehrhaus oder eine Tribüne – zu Geld zu machen, dann könnte man diese Verbindlichkeiten locker bedienen. Doch es gibt keinen Markt für Feuerwehrhäuser oder Tribünen.

Diese 110 Mio. EUR liegen näher an den 79 Mio. EUR Verbindlichkeiten, die beispielsweise die „Bürgeraktion“ im Herbst 2010 errechnet hatte – als sie noch nicht weichgespült und zahnlos war – als an Horst Thieles 23 Mio. EUR…

Zitiert wird von der „RP“ unter anderem der Geschäftsführer der städtischen Wohnungsbaugesellschaft mit der Aussage, die WGH könne „nur deshalb preisgünstige Wohnungen bauen und vermieten“, weil die Stadt ihr unter anderem „Grundstücke kostenfrei zur Verfügung stellt.“

Aber warum nicht das ehemalige „Jueck-Grundstück“ oder das Gelände der ehemaligen Albert-Schweitzer-Schule? Warum wurde bzw. wird dieser städtische Grund und Boden verkauft und damit privaten Profitinteressen ausgeliefert statt ihn der WGH zu überlassen?

Ein Grundstücksverkauf spült zwar einmal Geld in die städtische Brieftasche und erhört die städtische Liquidität, mindert aber das kommunale Vermögen dauerhaft, und zwar erhöht um die erforderlich werdenden bilanziellen Abschreibungen, die den Ergebnishaushalt negativ belasten.

Wer sein Haus verkauft, mag sich über eine prall gefüllte Brieftasche freuen, aber er wird rasch erkennen, dass er Immobilie und Grundstück verloren hat. Für immer.

Der Stadtrat entscheide, so die „RP“ fleißig das wiederholend, was ihr der Kämmerer diktiert hat, „ob die Kommune ein Unternehmen gründet oder sich an einem anderen beteiligt.“ Das ist formal völlig korrekt. Ideologisch ist vor dem Hintergrund der Praxis in Hilden die Behauptung, das sorge für „politische Kontrolle und Transparenz.“

Zum einen entscheiden in der Regel SPD und CDU, wie viel Kontrolle und Transparenz sie zulassen – durch Einbindung oder Ausgrenzung anderer Fraktionen, wie man exemplarisch beim Teilverkauf der Stadtwerke sehen konnte. Zum anderen fehlt dem Geflecht der städtischen Beteiligungen eine ordnende, strategische Richtung.

Es gab und gibt in Hilden kein strategisches Beteiligungsmanagement, sondern ein Sammelsurium von mittlerweile 52 Konzepten und Papieren (oft extern erstellt und teuer bezahlt), die angeblich das Verwaltungshandeln lenken und leiten, wie beispielsweise das 17 Jahre alte „Siedlungsdichtegutachten“.

Alle Ratsmitglieder hatten im Sommer 2013 zwar mannhaft dem Bürgermeister mitgeteilt, sie wollten „strategische Ziele für die Stadtverwaltung aufstellen, diese auch steuern und die Stadtverwaltung steuern und überwachen“, aber seitdem ist nichts geschehen.

Die gewohnt kritische Frage der „Rheinischen Prawda“, warum die Stadt überhaupt Unternehmen gründe, hat der Kämmerer routiniert mit dem Hinweis auf formale Kriterien beantwortet: In jedem Einzelfall habe die Kommunalaufsicht zugestimmt.

Aber warum hatte die Bezirksregierung Düsseldorf im Zusammenhang mit dem beabsichtigten Teilverkauf der Stadtwerke den Kreis Mettmann als Kommunalaufsicht im Sommer 2008 angewiesen, die damit verbundene Teilumwandlung der Stadthalle Hilden GmbH (SHH)  in eine Holding zu beanstanden“?

Nach Intervention der Stadt beim Regierungspräsidenten, dem Genossen Büssow (SPD), hatte die Bezirksregierung ihre Bedenken nur zurückgestellt, nicht zurückgenommen. Und zugleich hatte sie für sich eine „Einzelfallentscheidung“ geltend gemacht, die, wäre sie nicht ergangen, mit erheblichen finanziellen Auswirkungen für die Stadt Hilden verbunden gewesen wäre.

Das Geld war stärker und wichtiger als die Gemeindeordnung.

Als zweites Motiv der Stadtverwaltung, GmbHs mit städtischer Beteiligung zu gründen, bezeichnet Hildens Kämmerer den Versuch der Stadt, „ihre Steuern zu optimieren.“

Hilden will zwar weniger Steuern an die öffentlichen Kassen abführen, nimmt zugleich aber steuerfinanzierte Zuweisungen des Landes dankend, wenn auch gelegentlich klagend, weil nicht üppig genug, entgegen.

So verkürzt man durch diverse GmbH-Transaktionen gern die ans Land abzuführende Grunderwerbssteuer, um auf der anderen Seite vom (geschmälerten) Grunderwerbssteueraufkommen zu profitieren.

Übrigens, vor fast genau sieben Jahren, am 5. Dezember 2007 hatte die „RP“ behauptet –  unwidersprochen von Günther oder Horst im Rathaus:

„Fast die Hälfte des 172 Kilometer langen Straßennetzes in Hilden müsste aus wirtschaftlichen Gründen schnellstens saniert werden. (…) In den nächsten zehn Jahren müsste die Stadt rund 13,6 Millionen Euro aufwenden, um ihre Straßen wirtschaftlich optimal zu er- und unterhalten, hat das Tiefbauamt ausgerechnet. Darin enthalten ist auch der bereits aufgelaufene Sanierungsstau von sieben Millionen Euro.“ (RP-Hilden, 5.12.2007)

„Sanierungsstau“? Ist der aufgelöst?

Lesen Sie auch:

„‚Konzern Stadt‘: Öffentlicher Kontrolle entzogen“ (16. Dezember 2013)
„Hilden: ‚Konzern‘ oder ‚Stadt‘?“ (18. Dezember 2013)
„Eine Stadt ist kein Unternehmen“ (hildenNET, 4. April 2011)
„Wir verstecken keine Schulden bei den Töchtern“ (WAZ, 4. April 2011)