„… wurden Weichen richtig gestellt.“

Haushaltsrede des bündnisgrünen Fraktionsvorsitzenden, Klaus-Dieter Bartel

Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer,

im vergangenen Mai wurde ein neuer Rat gewählt, viele Herausforderungen der vergangenen Wahlperiode sind uns treu geblieben, weitere wie die Unterbringung von Flüchtlingen und eine ambitionierte Umsetzung der Inklusion kommen hinzu.

Erneut müssen wir uns mit einer angespannten Haushaltslage auseinandersetzen. Das ist bitter, auch wenn wir damit keineswegs alleine stehen: so verfügten Anfang 2014 von den NRW-Städten mit mehr als 50.000 Einwohnerinnen und Einwohnern nur vier über einen tatsächlich und nicht nur formal ausgeglichenen Haushalt.

Die finanzielle Unterversorgung der Kommunen ist mittlerweile chronisch, wobei wir zugegebenermaßen in Hilden immer noch auf einem vergleichsweise hohen Niveau klagen.

Geld in privater Hand ist mehr als genug da, die meisten Gemeinden müssen jedoch jeden Cent dreimal umdrehen. Auf diesen eklatanten Widerspruch hat der Kämmerer bereits in seiner Haushaltsrede hingewiesen.

Der in den 80er Jahren unter Thatcher und Reagan begonnene Siegeszug des Neoliberalismus führte zu einem internationalen Wettbewerb um die steuergünstigsten Wirtschaftsstandorte. „Privat vor Staat“ hieß nun die Devise – sie bewirkte auf allen Ebenen eine weitgehende Entsolidarisierung.

Dass heute die Anliegen der Städte oft auf der Strecke bleiben, liegt nicht zuletzt daran, dass auch sie zu selten mit einer Stimme sprechen und zu oft nur ihre spezifischen Eigeninteressen verfolgen.

Doch nun zum Haushalt der Stadt Hilden, der unserer Auffassung nach einige strukturelle Risiken birgt.

Wir erleben zum zweiten Mal innerhalb weniger Jahre eine Sparrunde bei den städt. Dienstleistungen und Sachmitteln.

Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass noch einmal Maßnahmen bei der Gebäudeunterhaltung um Jahre verschoben werden. Dies gilt z.B. für den Austausch der Kesselanlagen – zwangsläufig mit negativen Konsequenzen für Energieeinsparung und Klimaschutz.

Achselzucken verursacht bei uns zudem das im Herbst vorgelegte Schulgebäudeunterhaltungsprogramm. Hier klafft bis 2018 eine Finanzierungslücke in Höhe von knapp 1,6 Mio €, von der derzeit keiner weiß, wie man sie schließt.

Inwieweit bereits ein Reparaturstau bei den Straßen vorliegt, kann erst nach der für dieses Jahr geplanten Erfassung durch die Verwaltung abschließend festgestellt werden. Marode, kaum noch befahrbare Autobahnbrücken im Land sollten jedoch Warnung genug sein, hier nichts schleifen zu lassen.

Auf der anderen Seite können uns die Verdopplung der Schulden und das fast völlige Abschmelzen der Ausgleichsrücklage bis 2018 nicht „kalt“ lassen. Die derzeitige Niedrigzinsphase währt nicht ewig und ein großer Schuldenberg belastet unsere Haushalte auf Jahre hinaus.

Ich stelle daher fest: „Ja !“, wir haben ein Einnahmeproblem!

Wir können es drehen und wenden wie wir wollen, um eine Erhöhung von Grundsteuer B und Gewerbesteuer zumindest auf die fiktiven Hebesätze des Landes, also 423 % bzw. 415 %, kommen wir einfach nicht herum. Begeisterung bei Wirtschaft und Bevölkerung löst dies sicherlich nicht aus, aber Steuererhöhungen sind aus unserer Sicht die derzeit ehrlichste und realitätstauglichste Antwort auf wachsende Haushaltslöcher.

Wichtig dabei für uns: eine faire Lastenverteilung ! Viele klamme Gemeinden bitten einseitig Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer, Mieterinnen und Mieter zur Kasse – Grundsteuerhebesätze von 500%, 600 % sind da keine Seltenheit. Wir sind der Auffassung, dass alle Akteure, auch das örtliche Gewerbe, einen durchaus verkraftbaren Beitrag zur Haushaltskonsolidierung leisten sollten.

Noch ein Blick in den Kreis Mettmann: Monheim und auch Langenfeld sind auch hier nicht überall. In sechs der insgesamt zehn Gemeinden wird der örtlichen Wirtschaft steuerlich mehr abverlangt als in Hilden, bei der Grundsteuer wiederum beträgt der durchschnittliche Hebesatz 435 %.

Steuererhöhungen mit Augenmaß sind – wenn man Leistungen für Bürgerinnen und Bürger, aber auch für die ansässigen Betriebe erhalten und an aktuelle Erfordernisse anpassen möchte – insgesamt gesehen immer noch die wirtschaftlichste Lösung.

Denn hohe Zins- und Tilgungslasten, Substanzverluste bei der städt. Infrastruktur mit den damit verbundenen Funktionseinschränkungen und Imageverlusten für die Stadt kommen uns allen letztendlich teuer zu stehen.

Mehreinahmen in Höhe von 2,6 bis 2,9 Mio € pro Jahr könnten Raum für notwendige Investitionen schaffen und gleichzeitig das Anwachsen der Schulden merklich abbremsen.

Die Anzahl der Flüchtlinge wird nach allen Prognosen weiter steigen. Sie willkommen zu heißen, ist zum einem aus humanitären Gründen geboten. Aber auch aufgrund unserer wirtschaftlichen und politischen Verflechtungen (zu nennen sind dabei auch Rüstungsexporte) steht Deutschland in der Pflicht zu helfen.

Zugleich stellt die Aufnahme von Flüchtlingen angesichts der demografischen Entwicklung auch eine Chance für unser Land dar. Integration vom ersten Tag an ist das beste Rezept gegen Ängste und Ressentiments – und natürlich auch gegen Pergidas.

Wichtig ist zu allererst der Besuch von Sprachkursen; diese müssen in ausreichender Zahl und ohne Finanzierungsvorbehalte angeboten werden. Auch müssen für Flüchtlingskinder auf sie zugeschnittene Bildungsangebote an den örtlichen Schulen geschaffen werden.

Es gilt ferner ein Netz von ehrenamtlichen Betreuerinnen und Betreuern aufzubauen, denn ohne bürgerschaftliches Engagement kann die Aufnahme der Neuankömmlinge in unsere Gesellschaft nicht gelingen.

Um verschiedene Aktivitäten gerade auch im Freizeitbereich zu fördern, die der Integration dienen und einer bedrückenden Untätigkeit und Langweile in den Übergangsheimen entgegenwirken, muss zudem die Teilhabe am sportlichen, kulturellen und geselligen Leben unserer Stadt ermöglicht werden.

Wir wissen, dass schon jetzt eine Menge geleistet wird – von der Verwaltung, von Schulen, Kirchen, Wohlfahrtsverbänden, Vereinen und Privatpersonen.

Aber ein übergreifendes Handlungskonzept mit entsprechender Kostenkalkulation liegt erst ansatzweise vor. Auch steht noch in den Sternen wie viele Menschen in den nächsten Monaten tatsächlich nach Hilden kommen werden.

Wir erwarten aber, dass zusätzliche personelle und finanzielle Aufwendungen erforderlich sein werden, um Flüchtlinge menschenwürdig unterzubringen, zu betreuen und in unseren Alltag einzubinden.

Auch sollte perspektivisch über eine Vermittlung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern, die schon mehrere Jahre in unseren Übergansheimen leben, in Mietwohnungen – Stichwort Leverkusener Modell – nachgedacht werden.

Wir sind bereit, im Laufe des Jahres die für die verschiedenen Projekte benötigten Mittel – ggf. im Rahmen eines Nachtragshaushalts – bereitzustellen. Integrationsangebote für Migrantinnen und Migranten ohne Fluchthintergrund und deren Familien dürfen im Gegenzug keinesfalls heruntergefahren werden. Sie sind ein wichtiger Beitrag für ein friedliches, tolerantes, weltoffenes Klima in Hilden.

Richtig ist: die Schaffung möglichst optimaler Bedingungen für die zugewiesenen Flüchtlinge erfordert von der Verwaltung immense Anstrengungen. Richtig ist aber auch, dass sich der Einsatz menschlich, kulturell und auch ökonomisch letztendlich lohnt.

Die Zahl der Sozialbauwohnungen in Hilden sinkt scheinbar unaufhaltsam und umfasst derzeit nur noch 980 Wohneinheiten.

Diese Entwicklung wird durch die Baumaßnahmen der WGH und anderer Investoren nur gemildert, nicht aber gestoppt. Dabei ist in unserer Stadt der Anteil der Sozialbauwohnungen am Gesamtwohnungsbestand vergleichsweise gering.

Er beträgt landesweit 5,6 %, in Hilden jedoch nur 3,4 %. Auch vollzieht sich die Abnahme in Hilden deutlich dramatischer als in anderen Städten. NRW-weit reduziert sich die Anzahl der Wohnungen mit Preisbindung jährlich um etwa 3 %; in Hilden waren es in den letzten 10 Jahren durchschnittlich gut 7 %.

Die Mietpreise werden auch in den nächsten Jahren in der Rheinschiene und damit in Hilden weiter steigen. In Zeiten niedriger Zinsen bieten sich Grund und Boden sowie Immobilien in gut nachgefragten Gegenden als Spekulationsobjekte an…und das wirkt sich auf die Mieten aus !

Es gilt daher, sukzessiv kostengünstige Alternativen zum teuren Wohnraumangebot auf dem freien Markt auszubauen. Gerade auch unter der Trägerschaft unserer WGH.

Daher sollte von der Verwaltung zeitnah ein Konzept zur Zukunft des sozialen Wohnungsbaus in Hilden entwickelt (Bedarf, Förderung, Standorte,,…) und in unserer Stadt breit diskutiert werden.

Um es noch einmal deutlich zu sagen: Sozialer Wohnungsbau ist kein Randgruppenthema, sondern betrifft viele Normalverdienerinnen und -verdiener in der Mitte der Gesellschaft.
Im Dezember wurde der B-Plan für das Albert-Schweitzer-Gelände beschlossen. Jetzt – nach sieben Jahren – muss es endlich ohne weitere Verzögerungen losgehen.

Wir freuen uns, dass hier ein Baufenster extra für Wohnprojekte vorgehalten wird. Dies ist die richtige Antwort auf den demografischen und gesellschaftlichen Wandel.

Die Bedeutung der Familie als dauerhaft fürsorglicher und emotionaler Anker nimmt ab, neue Wohnformen können diese Lücke schließen und so Vereinzelung und Vereinsamung entgegenwirken.

Positiv auch: 30 % der Wohneinheiten auf dem Gelände sollen öffentlich gefördert sein. Die Übertragung von Flächen an die WGH ist dabei nicht nur wohnungspolitisch sondern auch aus Sicht städtischen Werteerhalts der richtige Weg. Für den Stadtkonzern Hilden ist sie faktisch kostenneutral.

Wir hätten uns aber gewünscht, dass unsere Wohnungsgesellschaft an dieser Stelle mehr als nur etwa 17 Wohneinheiten realisiert.

Klar ist für uns auch: wenn wir sozialen Wohnungsbau wirklich fördern wollen, können wir dafür Grund und Boden nicht zu den hohen marktüblichen Preisen veräußern. Denn sozialer Wohnungsbau in unserer Region ist immer gekoppelt an deutlich ermäßigte Grundstückskosten.

Nachdem die auf dem Albert-Schweitzer-Gelände untergebrachten VHS-Kurse zur Integration und Berufsvorbereitung eine vorläufige Bleibe in der Theodor-Heuss-Schule finden werden, gilt es jetzt, auch den Vereinen bei der Suche nach akzeptablen, bezahlbaren Räumlichkeiten behilflich zu sein.

2014 war – seit Beginn der Aufzeichnungen in 1880 – das wärmste Jahr weltweit. An diese ständigen Rekorde sollten wir uns nicht gewöhnen und sie nicht als „normal“ und „unvermeidlich“ hinnehmen.

Deutliche Zeichen des Klimawandels wie der Pfingststurm „Ela“ mit seinen verheerenden, kostspieligen Folgen sollten als Mahnung verstanden werden, gerade auch vor Ort den CO2-Ausstoss mit etwas mehr Elan zu reduzieren.

Deshalb forderten wir auch diesmal die Einstellung eines Klimaschutzmanagers, einer Klimaschutzmanagerin, der/die den Prozess der Energieeinsparung auf Grundlage des Klimaschutzkonzeptes vorantreibt und Menschen in und außerhalb der Verwaltung für dieses Thema sensibilisiert…und blieben damit leider weiterhin erfolglos.

Auch die von uns beantragte Senkung der Verbräuche in städt. Liegenschaften um 10 % stieß auf wenig Gegenliebe. Dabei dürfte allein ein energiebewussteres Nutzerverhalten, unterstützt durch entsprechende Schulungen, eine solche Wirkung entfachen.

Erfreulicherweise gibt es auch einige Lichtblicke beim Thema Klimaschutz: z.B. die Ausweisung einer Fahrradabstellanlage am Standort Hilden Süd und die Absicht der Ratsmehrheit, diese nach Bereitstellung von Fördermitteln auch zeitnah zu bauen.

Das Projekt ist jedoch leider die bislang einzige Maßnahme aus dem seit 2013 vorliegenden Klimaschutzkonzept, die auch umgesetzt werden soll. Ebenfalls positiv zu erwähnen: die zukunftsweisende Entscheidung für das Albert-Schweitzer-Gelände Passivhausbauweise vorzuschreiben.

Aber auch in anderen Bereichen wurden Weichen richtig gestellt.

So kann noch in diesem Jahr zumindest eine Maßnahme aus der Vorschlagsliste des Jugendparlaments fürs Holterhöfchen realisiert werden. Das Engagement junger Menschen ernst zu nehmen und dafür mehr als nur „anerkennende Worte“ zu finden, stellt einen wichtigen Beitrag gegen die allseits beklagte Politikverdrossenheit dar.

So trägt die Erfahrung, durch Einsatz, Beständigkeit, Ideenreichtum und Teamgeist zwar nicht alles, aber immerhin etwas erreichen zu können, nicht unerheblich zur Entwicklung einer verantwortungsbewussten, demokratischen Grundhaltung bei. Und diese ist das beste Antiserum gegen „Pegida“ und „IS“.

Auch hinsichtlich der Umsetzung von Inklusion in unserer Stadt sind wir zuversichtlich. Das Thema ist zwar nicht neu, aber im letzten Jahr – auch in Hilden – deutlicher in den Fokus gerückt.

Die Auftaktveranstaltung im November hat dazu einen wichtigen Beitrag geleistet.
Inklusion ist ein langwieriger Prozess, der von allen Beteiligten aufrichtiges Interesse, Einfühlungsvermögen, offene Augen und Ohren, Lernfähigkeit sowie Geduld und Zähigkeit verlangt.

Wir haben den Eindruck gewonnen, dass unsere Verwaltung diese Herausforderung erfreulicherweise nicht als lästige „Modeerscheinung“ abhandelt, sondern ernsthaft bemüht ist, Inklusion unter Beteiligung der Betroffenen – im Verbund mit verschiedenen Partnern – umzusetzen.

Und zu guter Letzt: Trotz angespannter Haushaltslage und bürokratischer Widrigkeiten wie unvorhersehbare Fristverkürzungen hält der Rat am Integrierten Handlungskonzept für unsere Innenstadt fest.

Das ist richtig so, denn das IHK macht Hilden nicht nur lebenswerter und schöner, sondern stärkt unsere Gemeinde auch als Wirtschaftsstandort. Und dies wirkt sich wiederum positiv auf unsere Finanzen aus.

Ich komme zum Schluss.

Wie in den vergangenen Jahren werden wir auch diesmal dem Haushalt zustimmen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.