Hilden: Eine Straße für Nazi-Lyrikerin

Agnes-Miegel-Hof bleibt

Agnes Miegel – ihr literarisches Werk ist typisch für den zwar christlich inspirierten, aber bürgerlich-romantischen Schreibstil des frühen 20. Jahrhunderts, der ihr in der bürgerlichen Literaturforschung, den Ruf einer „bedeutenden Balladendichterin“ eintrug, als die sie auch heute noch gilt.

Ihr Werk trägt keinerlei Züge der Erkenntnis, weder aus Verheerungen des großen Weltkriegs 1914-1918 noch aus den sozialen und revolutionären Umwälzungen jener Zeit. Vom Faschismus, den sie bejubelt hatte, ganz zu schweigen!

Miegels größter literarischer Förderer war der Nazi-Dichter, bekannte und bekennende Antisemit Börries Freiherr von Münchhausen, der 1945 Selbstmord beging, als sein Gut und Schloss Windischleuba von der Roten Armee besetzt wurde.

Schon früh wurden die Nazis auf Agnes Miegel aufmerksam auf diese sehr erfolgreiche „Blut und Boden“-Heimatdichterin.

1933 schlug ihre große Stunde: im gleichen Jahr, in der die im Geiste der Aufklärung verfasste Literatur auf den Bücherscheiterhaufen des nationalsozialistischen Ungeistes landete und ihre Literaten, im Besonderen die jüdischen und demokratischen Autoren, aus der Akademie der Künste entfernt, in Lager gesperrt, in die Emigration vertrieben oder ermordet wurden, wird Agnes Miegel als Senatorin in eben jene Akademie berufen.

1936 stiftet die NS-Kulturgemeinde (eine Abteilung des Amtes des Beauftragten „des Führers“ für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Erziehung der NSDAP, auch bekannt als „Amt Rosenberg“, benannt nach dem NS-Chefideologen und Haupt-Kriegsverbrecher Alfred Rosenberg)  eine „Agnes-Miegel-Plakette“, von der Agnes Miegel selbst die erste erhält. 1937 tritt sie der „NS-Frauenschaft“ bei, 1940 der NSDAP.

Die so geehrte Dichterin zeigt sich sehr dankbar, sie widmet ihrem verehrten „Führer“ gleich drei Gedichte: „Dem Führer!“ (1936), „An den Führer“ (1938), „Dem Schirmer des Volkes“ (1939).

Doch damit nicht genug, Miegel verfasste zahlreiche weitere Werke im nationalsozialistischen Geist: „Memelland“ (1935), eine Kantate zum Muttertag (1937), das Gedicht „Danzig“, in dem Agnes Miegel die „Heimholung“ ehemals deutscher Gebiete begrüßte (1939) oder eine Hymne an die Alt-Faschistin und Leiterin des weiblichen „Reicharbeitsdienstes“  Gertrud Scholtz-Klink „An die Reichsfrauenführerin Scholtz-Klink“.(1940)

Agnes Miegel wird von den Nazis vielfach ausgezeichnet und geehrt: so erhielt sie unter anderem die Wartburg-Rose (1933), den Herder-Preis (1935), den Goethe-Preis (auf besondere Fürsprache von Joseph Goebbels), den Ehrenring des „Allgemeinen deutschen Sprachvereins“ (1935)  und das „Ehrenzeichen der Hitler Jugend“ (1939).

1945 verlässt Miegel Königsberg und lässt sich in Bad Nenndorf nahe Hannover nieder, sie stirbt 1964 im Alter von 85 Jahren.

Auch nach dem Krieg hat Agnes Miegel sich nie von ihrer Vergangenheit distanziert. Im Gegenteil: Sie stärkte die extreme Rechte. So verfasste sie „Exklusivbeiträge“ für die Zeitschrift „Nation Europa“, die von dem ehemaligen SS-Hauptsturmführer und Chef der „Bandenbekämpfung“ im „Führerhauptquartier“, Arthur Ehrhardt. 1951 gegründet wurde.

Bis heute wird Agnes Miegel von Rechtsextremen und „Heimatvertriebenen“ gewürdigt, so veranstaltete z.B. das „Collegium Humanum“, ein Zentrum für Antisemitismus und Holocaustleugnung, noch vor  wenigen Jahren in Vlotho ein Wochenendseminar mit dem Thema: „Ostpreußens Beitrag zur Kultur Europas – Schwerpunkt Agnes Miegel und Ordensstaat.“

Und in Hilden gibt es den Agnes-Miegel-Hof. Aber keine August-Bebel-Straße. Nicht einmal eine Sackgasse.

Dass eine Straßenumbenennung einen gewissen Aufwand mit sich bringen würde, kann niemand bestreiten.

Den Bürgerinnen und Bürgern in der früheren DDR wurde nach der Vereinigung zugemutet, gleichsam flächendeckend die Umbenennung von „Karl-Marx-Alleen“, „Friedrich-Engels-Straßen“ oder „Lenin-Plätze“ hinzunehmen – ohne Bürger-/Anwohnerbeteiligung, ohne finanziellen Ausgleich!

Gleiches galt für die früheren Anwohner/innen der Mitte der siebziger Jahre in Hilden spurlos verschwunden „Apfelstraße“.

Und hätte man aus Kostengründen nach 1945 etwa alle Adolf-Hitler-Plätze und -Straßen behalten sollen?