Eine Rede für taube Ohren

Haushaltsrede der Fraktionsvorsitzenden der ALLIANZ FÜR HILDEN, Angelika Urban, zum Haushaltsplan 2016

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin, meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrte Gäste!

Die ALLIANZ FÜR HILDEN wird etwas tun, was unter Politikerinnen und Politikern nicht unbedingt üblich ist. Dass das so ist, wurde übrigens in der letzten Woche bei einer Bürgeranhörung durch ein Mitglied dieses Rates durch die Aussage „Nichts ist endgültig“ auch so bestätigt.

Die ALLIANZ FÜR HILDEN wird ein in meiner Haushaltsrede des letzten Jahres gegebenes Versprechen einlösen und diesen vorgelegten Haushalt 2016 aufgrund der fehlenden Konsolidierungsabsichtder städtischen Finanzen ablehnen.

Dass der vorgelegte Haushalt trotzdem durch die Mehrheit des Rates angenommen werden wird, ist mir natürlich klar. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass es Hildener Fraktionen wichtiger ist, Stimmenmehrheiten durch vermeintliche Wohltaten bei den Bürgerinnen und Bürgern zu erhalten bzw. zu bekommen, als weitsichtiger und verantwortungsvoller Umgang mit deren Geld.

Das wurde auch u.a. deutlich durch die Reaktionen einiger Fraktionen in der Presse auf die Ankündigung der Haushaltssperre durch den Kämmerer am 26.11.2015. Da sprechen die Einen von einem „undankbaren Thema“ – die Anderen sagen „kein Grund zur Panik, unaufgeregt bleiben“ – die Nächsten meinten „die Lage ist problematisch aber nicht dramatisch“.

Wenn man bedenkt, wie sehr sich die finanzielle Lage seit diesem Zeitpunkt weiter verschlechtert hat, kann man auf eine derartige Kurzsichtigkeit der Fraktionen nur fassungslos reagieren.

Wer solch eine vorauszusehende Entwicklung schon in der Entstehung als „nicht dramatisch“ o.ä. bezeichnet, muss an einem erheblichen Realitätsverlust leiden und sich über den eigentlichen Auftrag von Politikern nicht im Klaren sein. Es geht bei allem, was wir in diesem Rat entscheiden nicht darum, auf Stimmenfang für die nächste Kommunalwahl zu gehen, sondern Verantwortung für das Wohl dieser Stadt und ihre BürgerInnen wahrzunehmen.

Das allerdings würde bedeuten, dass man sich mit den Gedanken und Ideen auch der kleinen Fraktionen (und gerade erst recht als angeblich kritikfähige die Stimmenmehrheiten herbeiführenden Fraktionen!) auseinandersetzen und unbequeme, manchmal auch unattraktive und kritische Ideen bedenken müsste.

In seiner Haushaltsrede im vergangenen Jahr wies uns der Kämmerer darauf hin, dass es „fünf vor zwölf“ ist. Bei der Haushaltseinbringung für das Jahr 2016 müsste auch dem Letzten klar geworden sein, dass es nun fünf nach zwölf ist!

Nachdem der Planansatz für die Gewerbesteuer für 2014 von 39 Mio. EURO noch erreicht wurde, sah der Blick in die Glaskugel der Verwaltung eine wundersame Steigerung auf 41 Mio. EURO in 2015 vor! Laut Finanzstatus per 1.Sept. 2015 betrug die Prognose dann 37,4 Mio, in der Haushaltsrede 2016 des Kämmerers ging er dann von 36,6 Mio € aus. Nun werden die Gewerbesteuereinnahmen für das Jahr 2016 mit etwas Glück das Niveau von 2014 in Höhe von 39 Mio. erreichen.

Die ALLIANZ für HILDEN hat bereits mit Schreiben vom 04.09.2015 eine Offene Anfrage an die Bürgermeisterin gestellt und nach konkreten Maßnahmen gefragt, um sich abzeichnende Unwägbarkeiten durch geringere Steuereinnahmen und höhere Haushaltsbelastungen abzumildern. Auch eine Haushaltssperre für das Restjahr 2015 wurde von der ALLIANZ FÜR HILDEN bereits zu diesem Zeitpunkt in Betracht gezogen und vorausgeahnt – genauso wie eine Verschiebung von zusätzlichen Projekten in das kommende Haushaltsjahr oder darüber hinaus. Die Antwort der Bürgermeisterin vom 07.09.15 sah zu dem Zeitpunkt keine Notwendigkeit für derartige Maßnahmen.

Am 26.11.2015 verkündet der Kämmerer dann wie aus heiterem Himmel   die Haushaltssperre!

Welch besorgniserregender Weitblick der Verwaltung tritt hier zutage. Wie kurzsichtig muss die Sicht der Verwaltung eigentlich sein, dass diese dann doch schon 2 ½ Monate später „bemerkt“, dass eine Haushaltssperre unabdingbar ist. Wie gesagt, die ALLIANZ FÜR HILDEN hatte dies bereits im September als unumgänglich gesehen.

Es mutet schon dilettantisch an, dass als Begründung dafür „insbesondere der unvorhersehbare Gewerbesteuerrückgang verantwortlich“ gewesen sein soll. Bereits bei der Haushaltsverabschiedung des Jahres 2015 habe ich auf die sinkenden Gewerbeanmeldungen in Hilden ausführlich hingewiesen und die Frage gestellt: „Welche Ideen hat die Wirtschaftsförderung bisher gehabt, um beispielsweise auch mit in Hilden ansässigen Unternehmen gemeinsam Konzepte zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes Hilden zu erarbeiten?“ Welche Gegensteuerungsmaßnahmen hat die Verwaltung eigentlich in dieser Zeit veranlasst?

Auffällig ist übrigens der genaue Tag der Verkündung der Haushaltssperre am 26.11.2015 ! Nur einen Tag, nachdem der SteA noch am 25.11.2015 in Unkenntnis über die aktuelle Haushaltssituation gelassen wurde und Haushaltsmittel für das IHK freigegeben hatte, kam der Kämmerer endlich mit der Wahrheit ans Licht!

Fakt ist, dass

  • die Planungssysteme der Verwaltung versagt haben,
  • In der Finanzplanung keinerlei Risikomanagementsystem implementiert ist,
  • und schon gar keine der von uns bereits vergangenes Jahr vorgeschlagenen Maßnahmen zur Erhöhung des Gewerbesteuervolumens ohne Anhebung des Hebesatzes in Angriff genommen wurden.

Und nun wirft ein neuer Blick in die Glaskugel immerhin reduzierte Planwerte aus: Für 2016 = 39 Mio., für € 2017 = 40 Mio. €, für 2018 = 43 Mio. € und für 2019 sogar 48 Mio. €! Und das alles, ohne dass Sie etwas dafür tun! Und dass alles, obwohl sich laut einer aktuellen Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer unter 220 Betrieben im Kreisgebiet mit etwa 19.000 Mitarbeitern die Kreiskonjunktur abschwächt. Wer mag Ihnen das noch glauben?

Nun, es wurde ja einen vermeintlicher Weg aus dem Dilemma gefunden: Der Bürger soll für die Fehler der Verwaltung zahlen! Eine Erhöhung der Grundsteuern soll her. Das ist zwar unpopulär, aber der einzelne Bürger wird es ja kaum merken. An dieser Stelle wird die Unglaubwürdigkeit der Verwaltung offensichtlich: Sie propagieren vermeintlich bezahlbareren neuen sozialen Wohnungsbau und erhöhen hinten herum über die Grundsteuer die eh aus dem Ruder geratenden Mietnebenkosten für Alle, incl. der Geringverdiener. Aber, es wird schon keiner merken – „Alles bleibt gut“!

Nein, bleibt es eben nicht! Die absoluten Mehreinnahmen durch die vorgeschlagene Grundsteuererhöhung retten uns vielleicht vorrübergehend vor einem Nothaushalt – aber sie schließen die Finanzierungslücke nicht ansatzweise! Von den Bürgern werden neue Millionen verlangt – das ist einfach.

Aber wo wird die Konsolidierungsabsicht der Verwaltung sichtbar? Ach ja, Sie haben aus eigener Kraft fünfstellige Einsparungen in der Verwaltung ermittelt. Mit Verlaub, dass ist in etwa so, als wolle sich ein in Schieflage geratenes Wirtschaftsunternehmen mit dem Entfall von Besprechungskeksen sanieren! Fair wäre doch, wenn die Verwaltung mindestens das einbringt, was sie den Bürgerinnen und Bürgern abverlangt.

Liebe Ratskolleginnen und –kollegen! Wann begreifen alle Fraktionen dieses Rates endlich, dass wir in diesem Hause die Reißleine ziehen müssen? Die Verwaltung argumentiert – das war auch in der Presse zur PM über die Bürgeranhörung zum Warrington-Platz wieder deutlich zu lesen (Zitat der Baudezernentin auf die deutlichen Reaktionen der Bürger: „Der Rat hat das Konzept so beschlossen…“) Das stimmt ja auch so!

Und da sind wir bei dem unbedingt nächsten notwendigen Schritt. Auch von den bereits beschlossenen Ausgaben für das eine oder andere Lieblingsprojekt müssen wir Abstand nehmen. Viele Beschlüsse für infrastrukturelle Verbesserungen in unserer Stadt sind unter einer völlig anderen Prämisse getroffen worden – nämlich auf Basis einer falschen Haushaltsprognose. Das für diese beschlossenen Investitionen benötigte Geld ist nicht „eingetroffen“. Und es hilft auch nicht, wenn man sich dahinter versteckt, dass die eine oder andere Investition mit Landesmitteln unterstützt wird. Gibt ein verantwortliches Familienoberhaupt klaren Kopfes 100.000 EUR für ein neues Auto aus – nur weil es 50.000 EUR dazu bekommt, ungeachtet dessen, dass die restlichen 50.000 EUR nicht vorhanden sind?

Wann wird es der Mehrheit dieses Rates endlich klar, dass es keine Zukunftsfähigkeit auf Pump gibt?

Die Fraktion ALLIANZ FÜR HILDEN ist der Auffassung, dass eine Haushaltskonsolidierung unabdingbar ist. Wir wollen die politische Handlungsfähigkeit und den Gestaltungsspielraum erhalten und nachfolgende Generationen nicht weiter durch „Schulden“ belasten. Die bilanzielle Überschuldung und somit der Verlust durch die Aufzehrung des Eigenkapitals und der Ausgleichsrücklage muss konsequent vermieden werden. Im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung muss die Schuldentilgung höchste Priorität haben. Dabei sind alle Bereiche, die keine Pflichtaufgaben darstellen, einer besonders kritischen Überprüfung mit der Möglichkeit der Reduzierung von Standards zu unterziehen. Auch bei den sog. Pflichtaufgaben muss der Standard auf das Notwendige reduziert werden. Nur ein ganzheitlicher Strauß von Maßnahmen wird die Karre wieder aus dem Dreck ziehen.

Vor diesem Hintergrund fordert die ALLIANZ FÜR HILDEN die Umsetzung folgender Maßnahmen:

  1. Der Personaldezernent wird aufgefordert, ein entsprechendes Konzept zum „aktiven Personalabbau“ bis zum 30.06.2016 vorzulegen. Dabei ist auch aufzuzeigen,
  1. wie städtische Beschäftigte befristet oder unbefristet in „Eigen- und Beteiligungsgesellschaften“, bei anderen öffentlichen Arbeitgebern oder in der „Privatwirtschaft“ eingesetzt werden können,
  2. welche befristeten Arbeitsverhältnisse verlängert oder in unbefristete Arbeitsverhältnisse überführt werden sollen,
  3. welche befristeten Arbeitsverhältnisse wann auslaufen und nicht verlängert oder in unbefristete Arbeitsverhältnisse überführt werden sollen,
  4. welche Maßnahmen zur Reduzierung des Krankenstandes durchgeführt wurden und mit welchem Erfolg.
  1. Die Personalkosten sind in den nächsten 5 Jahren um jeweils 5% zu reduzieren.
  2. Alle freiwilligen Maßnahmen des Investitionsprogramms, die nicht aus sachlichen Gründen unabdingbar sind und für die keine alternative Finanzierung, die den städtischen Haushalt nicht belastet, gefunden wird, werden verschoben bzw. gestrichen und ggfls. im Rahmen der Haushaltsbewirtschaftung gesperrt. Eine veränderte Veranschlagung erfolgt frühestens über den Haushaltsplan 2018.
  3. Die Verwaltung erstellt aufwandsneutral ein spenden- und alternativ anlageorientiertes Schwarmfinanzierungskonzept für freiwillige Investitionen, die nicht aus sachlichen Gründen unabdingbar sind und die nicht über vorhandene Haushaltsmittel finanziert werden können. Ein solche Konzept wird in Zukunft auch Fehleinschätzungen, „was der Bürger wirklich will“ wie den Fehlplanungen im Rahmen des „Integrierten Handlungskonzeptes“, verhindern.
  4. Die Erstellung eines zukunftsweisenden Wirtschaftsförderungskonzeptes, das die Stärken und Schwächen des Standortes Hilden analysiert und konkrete Maßnahmen zur generellen Förderung und Entwicklung des Wirtschaftsstandortes Hilden herausarbeitet.

Die genannten Forderungen bringen wir mit einem Leitantrag in diese Sitzung ein und fordern die Verwaltung auf, einen neuen Haushaltsentwurf mit einer deutlich erkennbaren Konsolidierungsabsicht und unter Berücksichtigung unserer Forderungen in den Rat einzubringen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bitte Sie alle ausdrücklich darum, sich für die Beratung dieses Antrages in Ihren Fraktionen Zeit zu nehmen und ihn zum Wohl der Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt zu bedenken.

Ihnen allen vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!